Englands wunderschöner Norden - Lake District und Yorkshire

Studienreise der VHS Hagen und "Arbeit und Leben Berg-Mark" vom 29. Juni - 8. Juli 2015

Vielen Dank an Herr Edgar Marsh für diesen Bericht.

29. Juni

Die Reise begann mit einer Überraschung: Bestandteil der Anreise war der Transfer zum Flughafen Düsseldorf. Die fünf Hagener Fahrgäste staunten nicht schlecht, als um 6:20 Uhr ein XXL-Bus mit 65 Sitzplätzen beim Hauptbahnhof um die Ecke bog. Ohne Probleme meisterte der Bus (-fahrer) auch die engen Kurven auf der B7-Umleitung in Wuppertal und ließ auch die vier Wuppertaler staunen. Der lange Bus, der direkt anschließend für eine größere Reisegruppe gebucht war, brachte alle aber pünktlich zum Flughafen; das war wichtig. Auch der Abflug war pünktlich und mit etwas Rückenwind erreichten wurde der Zielflughafen Manchester Airport, wo die örtliche Reiseleiterin Tessa und unsere Busfahrerin Karen, sowie eine weitere Teilnehmerin, die schon früher nach England gereist war, uns erwarteten. Jetzt war der Bus der Größe unserer Gruppe etwas angemessener.

Auf der Fahrt nach Norden, die uns an der Morecambe Bay einen Zipfel der Irischen See sehen ließ, war das erste Besuchsziel »Levens Hall«. Berühmt sind seine Gärten, die vom ehemaligen Gärtner James II zwischen 1694 und 1712 angelegt wurden, wegen seiner Formschnitt-Hecken. Die Besucher staunten aber auch über den Ha-Ha, einer tiefer Graben dort wo der Garten in die Landschaft übergeht.. Knapp zwei Meter ging es dort senkrecht in die Tiefe und dann sofort einen Abhang wieder hinauf. Mit diesem gärtnerischen Gestaltungsmittel ließ sich die Illusion erzeugen, dass Garten und Landschaft eins sind. Gleichzeitig war es den auf der Weide grasenden Kühen nicht möglich, in den Garten zu wandern. Bei der Bezeichnung war uns schon der Gedanke an die Schadenfreude gekommen, wenn jemand den Ha.Ha nicht gesehen hat aber es war wohl nur der Überraschungsruf „Aha!“ der Pate stand.

Ein Aufenthalt in einem Tea-Room hatte nach der Fahrt hierhin für Stärkung gesorgt, und der Shop brachte die ersten Geldbörsen in Gefahr, bevor die Fahrt uns zum ersten Stützpunkt der Reise brachte, in das Shap Well Hotel. Das Hotel, das in den Kriegsjahren auch als Kriegsgefangenenlager für deutsche Offiziere genutzt worden war, liegt mitten in wogenden Hügeln zwischen den Yorkshire Dales und dem Lake District, Meilen entfernt von jedem Dorf oder Pub. Dass es auch ein Leben außerhalb des Hotels gibt, war nur weit entfernt an der am gegenüber liegenden Hügel liegenden Autobahn und der Bahnlinie nach Schottland zu sehen. Mit einem ersten Dinner auf englischem Boden und einem gemeinsamen After-Dinner Drink in der Lounge klang der Tag aus.

30. Juni

Der erste Reisetag im Lake District startete im nördlichen Teil des Nationalparks. Von Poole aus fuhren wir am See Ullswater entlang und genossen den Blick auf die grünen Berge, die so anders als das Sauerland oder das Bergische Land sind: Nur Wiese und Steinmauern, zwischen denen die Schafe wie eingesprenkelt aussehen. Am Kirkstone Pass stiegen wir aus und genossen das Panorama auf 454m Höhe. Der Kirkstone Pass Inn hat leider geschlossen – oder vielleicht auch besser Gott sei Dank, denn Tessa, unsere Fremdenführerin, erzählte uns von einer irischen Gruppe, die sie begleitet und die sich kurzerhand entschlossen hatte, den Tag dort trinkend, musizierend und singend zu verbringen. Am Kirkstone Pass entstand auch ein Foto, das neben der Verabreichung von Schokolade eine mögliche Strategie illustrierte, wie man dem Redeschwall übereifriger FremdenführerInnen entgegen treten kann.

Hauptattraktion des Tages war ein Besuch des Landsitzes »Blackwell Arts and Crafts House«, ein Gesamtkunstwerk des Jugendstils, das 1901 von MH Baillie Scott gebaut worden war. Das weiße Wohnzimmer mit Blick auf Lake Windermere wurde von allen am meisten bewundert, aber auch in der Wohnhalle der Pfauenfries, der wie ein Mosaik wirkt, aber sich als Tapete erwies, fand Bewunderung. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter erzählte uns dort, dass der Lake District zum Erholungsgebiet für reiche Fabrikanten aus Liverpool und Manchester wurde, nachdem Windermere einen Bahnhof bekam, und auch der Brauereibesitzer Sir Edward Holt dort ein Grundstück für die Ferien seiner Familie erwarb.

Das Dorf Grasmere ist eng verbunden mit dem romantischen Dichter William Wordsworth. Dort hat er viele Jahre seines Lebens verbracht und ist dort auf dem Kirchhof auch begraben. Er war es, der den Lake District mit seinem Gedicht „Narzissen“ berühmt machte. Grasmere ist aber auch Heimat des „weltbesten“ Pfefferkuchens, der 1854 von der Köchin Sarah Nelson dort erfunden wurde und dort immer noch von einer Familie – heute in dritter Generation – gebacken und verkauft wird.

Der Steinkreis von Castlerigg ist einer der größten Steinkreise in England. Auch wenn die Steine mit maximal drei Metern nicht so hoch sind wie in Stonehenge, ist seine Lage – umgeben von hohen Bergen – einfach grandios.

Den Tag beschloss ein Besuch des Städtchens Keswick am Derwentwater, bevor der Rückweg ins Hotel angetreten wurde.

1. Juli

Durch die schöne Landschaft des südlichen Lake District am Lake Windermere vorbei ging es zum Coniston Water. Dort wurde die SY Gondola bestiegen, eine Dampf-Yacht, die aus den Resten des 1859 gebauten Originals in alter Pracht restauriert wurde: Schimmernde Messingteile an der Maschine mit dem rot-glänzenden Kessel, rote Lederpolster und Messingarmaturen in der Kabine. Ursprünglich Teil der öffentlichen Personenverkehrs mit Anschlüssen an verschiedene Eisenbahnlinien, wird das Boot heute vom National Trust betrieben. Das Wetter erlaubte die Fahrt im Bug des Schiffes im Freien zu verbringen und so konnte der »Alte Mann von Coniston«, der 803m hohe Hausberg des Sees, gebührend bewundert werden. Ziel der Bootsfahrt war Brantwood, langjähriges Heim des Sozialphilosophen, Schriftstellers, Malers und Kunsthistorikers John Ruskin, der in England zusammen mit William Morris die »Arts and Crafts« Bewegung begründete, die wiederum Vorläufer der Kunstreform von Karl-Ernst Osthaus und Henry van den Velde war. Gemälde, schöne Möbel, ein herrlicher Blick über Coniston Water hinweg auf den Old Man of Coniston und ein blühender Garten ließen verstehen, warum John Ruskin hier die letzten 28 Jahre seines Lebens verbracht hat.

Nächster Haltepunkt war das Städtchen Hawkshead, in dem William Wordsworth zur Schule ging. Die Gemeindekirche, deren Ursprünge bis in das 13. Jahrhundert reichen und so, wie sie heute dort steht, aus dem frühen 17. Jahrhundert stammt, ist durch die auf die auf die Wand gemalten, gerahmten Texte bekannt, die in den meisten Fällen in der viktorianischen Zeit zerstört wurden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerung an ein Begräbnis mit einer eidesstattlichen Erklärung, die bestätigt, dass Gesetze aus dem 17. Jahrhundert befolgt worden waren, die verlangten, dass Tote in reiner englischer Wolle begraben wurden, es sei denn, es waren Pestopfer oder sie waren mittellos. In dieser Kirche wurde auch zum ersten Mal eine Opferkerze auf einem Tablet Computer gesichtet. Für einen entsprechenden Obulus flackert die Kerze auf dem Monitor eine Zeit lang.

Wunderschöne Ecken gab es in dem Dorf noch zu entdecken bis es weiter nach Hill Top House ging, dem Wohnsitz und Arbeitsplatz der Kinderbuchautorin und Landschaftskonservatorin Beatrix Potter. Bereits beim Gang durch ihren Garten konnte man sich vorstellen, wie sie die Geschichten von Peter Rabbit, Samuel Whiskers oder Jemima Puddle-Duck erfunden hat. Sie ist aber auch dafür verantwortlich, dass es auch heute noch die Schafrasse „Herdwick“ gibt, die den rauen Bedingungen des Lake District besonders angepasst sind. Ihre 17 Farmen, die sie mit dem durch die Kinderbücher verdientem Geld aufgekauft und in Stand gehalten hatte, hat sie testamentarisch dem National Trust vererbt, mit der Bedingung, dass auf den dazugehörigen Quadratkilometern Land Herdwick Schafe gehalten werden.

Am Abend war die Labour-Politikerin Barbara Cannon zu Gast, die über das Thema Großbritannien in der Europäischen Union referierte und mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutierte. Barbara ist Assistentin von Julie Ward, Abgeordnete im Europäischen Parlament für Nordwest England und selbst Mitglied des Kreistages für die Stadt Workington an der Irischen See, sowie aktives Mitglied einer Städtepartnerschaft mit der Stadt Selm im Münsterland.

2. Juli

Heute war die Landschaft östlich unseres Hotels angesagt, das Gebiet des Nationalparks der Yorkshire Dales. Am Rande des hübschen Marktfleckens Hawes, für den selbst keine Zeit blieb, liegt die Käserei, die den berühmten Wensleydale Cheese herstellt. Nur Käse, der hier hergestellt wird, darf sich »Yorkshire Wensleydale« nennen. Bedingt durch noch nicht komplett fertig gestellte Neubauten gab es keine Möglichkeit, sich die Käse-Herstellung in Betrieb anzusehen. Ersatzweise gab es eine Präsentation an der Küchentheke und den Besuch des angeschlossenen Museums, in dem die Geschichte der Käserei anschaulich dargestellt wird. Im Shop (natürlich) konnten neben Souvenirs die unterschiedlichen Käsesorten der Produktion erworben werden.

An den »Aysgarth Falls « fällt das Wasser des Flusses »Ure« über drei Stufen hinweg talwärts. Die Gelegenheit die mittleren Fälle zu bewundern nahmen alle Teilnehmer wahr. Danach bevorzugten einige die Attraktionen des Tea-Shops, während ein größerer Teil sich auf den kleinen Fußweg zu den oberen Fällen machte. Bei dem schönen Wetter kam hier auch der Gedanke auf, dass man gut ein Picknick hätte veranstalten können.

Durch (wieder einmal) schöne Landschaften ging die Reise weiter. Einen Haltepunkt gab es, um das Ribblehead Viaduct zu bestaunen. 1874 vollendet, ist es mit 400 m Länge und 32 m Höhe über dem Talgrund ein imposanter Anblick.

Letzte Station vor der Rückreise in das Hotel war die Heimatstadt unserer örtlichen Reiseleiterin, Kirkby Lonsdale. Leider war uns nur im Regen der „schönste Ausblick in England“ möglich, wie John Ruskin den Blick von der Brücke über den Lune genannt und den J.M.W. Turner gemalt hat. Nach dem Rundgang durch das Städtchen wurden bei leichtem Regen verschiedene Lokale aufgesucht: Die einen gingen in den Pub, die anderen ließen sich Afternoon Tea schmecken. Und wieder andere ließen sich vom Regen nicht beeindrucken und ließen die Atmosphäre des Ortes auf sich wirken.

3. Juli

Das war die letzte Übernachtung im Shap Wells Hotel. Koffer packen und in den Bus damit, der uns in Richtung Norden fuhr. Dabei wurden auf einer Passstraße mit herrlichen Ausblicken bis hin zur Irischen See die Pennines überquert, ein überall äußerst malerischer Gebirgszug, der sich von Derbyshire im Süden bis zur schottischen Grenze im Norden zieht und auch als »Rückgrat Englands« bezeichnet wird.

Auf der schmalen, kurvigen Straße auf der anderen Seite der Höhe fuhr uns ein Tieflader voran, auf dem ein Traktor transportiert wurde. Dieser hatte sich seiner Verankerung entledigt, und eines seiner Riesenräder lugte schon über die Kante des Gefährtes. Heftiges und andauerndes Hupen von Karen ließ den Fahrer erst eine lange Zeit denken, dass wir ihn überholen wollten. Erst als wir das gefahrlos tun konnten, gelang es Karen ihn auf seine gefährdete (und gefährliche) Fracht hinzuweisen.

In Hexham wurde die Abteikirche Hexham Abbey besucht, in der frühenglischen Gotik um 1300 errichtet. Eine sehr engagierte alte Dame empfing uns und erzählte anschaulich von der Geschichte der Abtei, in der noch die 700 Jahre alte Treppe zu begehen ist, die die Mönche herabstiegen, wenn sie um Mitternacht die Prim, das erste Gebet des liturgischen Tages, sprechen wollten. Ungewöhnlich auch ein Gang in die Krypta der Abtei, die aus Steinen errichtet wurde, die – ausweislich einer lateinischen Inschrift – im 3. Jahrhundert von den Römern behauen wurden.

Den Spuren der Römer wurde dann auch weiter gefolgt, denn als nächstes stand ein Besuch des Hadrianswalls bei Vercovicium (Housesteads) an. Nicht so riesig wie die Chinesische Mauer, aber dennoch beeindruckend. Die noch stehenden Mauern erzählen davon, wie die Männer (und Frauen) im vorgelagerten Dorf damals gewohnt und gearbeitet haben. Der Anstieg vom Besucherzentrum bis zum Römerlager bot jetzt mal die Gelegenheit zu ein wenig Aktivität.

Bei einer kurzen Stadtrundfahrt durch Newcastle upon Tyne konnte Brückenarchitektur bewundert werden und auf der Gateshead-Seite des Flusses Tyne die Veranstaltungshalle »Sage Gateshead«, die – von Norman Foster entworfen – 2004 eröffnet wurde.

Auf der Fahrt zum Hotel etwas außerhalb von Durham konnte noch »The Angel of the North« bewundert werden. 20 Meter hoch und mit einer Flügelspanne von 54 Metern erinnert die Stahlskulptur des Bildhauers Sir Antony Gormley an die industrielle Vergangenheit der Stadt Newcastle upon Tyne. Er ist ganz offensichtlich auch ein beliebtes Fotomotiv für Erinnerungsfotos. Ein kleiner Bus mit Teenagern in Abendgarderobe feierte ihre O-Levels des GCO, den General Certificate of Education, die mit der bei uns so bezeichneten Fachoberschulreife vergleichbar ist.

4. Juli

Die Burg und die Kathedrale von Durham liegen auf einem Felsplateau in einer Schleife des Flusses Wear. Der Weg vom Parkplatz unseres Busses zur Kathedrale führte – vorbei an einer Statuengruppe in Erinnerung an die 7-jährige Überführung der sterblichen Überreste von St. Cuthbert – durch das hübsche Stadtzentrum mit einem Markt. Steile Straßen und Stiegen führen zur Kathedrale hinauf. Nach der letzten Kurve liegt das Grün vor uns, ein großer Rasenplatz vor der Burg und der Kathedrale. Und auf der anderen Seite des Grüns ragt hoch die Kathedrale im romanischen und (beim Turm) im gotischen Stil auf. Sie ist die größte Kirche des in England so benannten normannischen Stils. Wir lernen die Kirche als schönstes Beispiel romanischer Kirchenarchitektur in Europa kennen. Bei einer Führung durch die Kathedrale wurden uns zahlreiche Details erläutert, z.B. die des ersten Spitzbogengewölbes oder die einer herrlichen Fensterrose. Vor dem üblichen Shop und der Cafeteria war noch ein maßstabsgerechtes Modell der Kathedrale aus Lego-Steinen zu sehen, das mit 300.000 Steinen fast vier Meter lang werden soll bei einer Höhe von 1,70m. Mit dem Erlös soll die Zugänglichkeit zu den Schätzen der Kathedrale verbessert werden.

Am Nachmittag fuhren wir in das Beamish Freilichtmuseum, dessen größter Teil die Nachbildung einer Stadt ausmacht, wie sie im Jahr 1913 ausgesehen hätte. Nicht nur die Häuser sind aus dieser Zeit, auch die Einrichtungen einer Stadt, wie eine Bank, ein Eisenwarengeschäft, ein Süßwarenladen weisen das entsprechende Interieur auf. Und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sind entsprechend ausstaffiert. Eine Straßenbahn fährt vom Eingang des Geländes in die Stadt. Der Schaffner klingelt und es geht los. In dem kleinen Park in der Stadtmitte gibt es einen Konzertpavillon, in dem gerade eine Blaskapelle die Menschen unterhält, die es sich mit einer Decke und Picknickkorb auf dem Rasen gemütlich gemacht haben. Ein Nachmittag reichte nicht, um alle Details zu würdigen, aber für einen Gang über die Home-Farm doch noch. Dort stand dann gerade die Fütterungszeit an, was eines der Schweine dazu veranlasste, sich auf die Hinterbeine zu stellen, um über das Stallgatter gelehnt dem Mann mit dem Futter entgegenzusehen.

Das schöne Wetter, das den Besuch des Freilichtmuseums so angenehm gemacht hatte, bot auch im Hotel, »The Honest Lawyer« (Der ehrliche Rechtsanwalt) die Gelegenheit, nach dem Abendessen auf der Terrasse des Hauses noch gemütlich zusammen zu sitzen.

5. Juli

Durch die schöne Landschaft der North Yorkshire Moors ging es dann am nächsten Tag zuerst nach Whitby, einem kleinen Fischerstädtchen an der Nordsee. Gleich drei Dinge sind es, die diese Stadt – neben ihrer Lage an einem kleinen Hafen und den sich den Hang hinauf ziehenden Häusern mit ihren roten Dächern so – besuchenswert machen. Da ist zuerst die Ruine des Klosters »Whitby Abbey« hoch oben auf einem Felsen über der Stadt, die 664 Schauplatz der Synode von Whitby war. Den Disput über liturgische und rituelle Fragen und ganz generell über Vorstellungen von Kirche gewann dort die römische Kirche, und die iroschottische Kirche überlebte nur noch in Irland, Wales und in Schottland für einige wenige Jahrhunderte. Dass das Kloster ein herrliches Gebäude war, kann man auch heute noch den Ruinen ansehen. Grüner Rasen und der Blick auf die Nordsee strahlen eine besondere Ruhe aus.

Die Stadt mit ihrer besonderen Lage und den Ruinen der Abtei inspirierten Bram Stoker 1897 auch seinen Roman »Dracula«. Er beginnt zwar in den Karpaten in Siebenbürgen im heutigen Rumänien, der größere Teil spielt aber in England und viel davon in Whitby. Dieses Erbe wird von der Stadt auch gepflegt und es gibt etliche Veranstaltungen zum Thema.

Der dritte – auch für uns – wichtige Punkt ist der Bahnhof. Er ist Endhaltestelle der North Yorkshire Moors Railway, einer regelmäßig verkehrende Museumseisenbahn, mit dem wir über Grosmont zum Bahnhof Goathland fuhren. Diesen Bahnhof kennen alle Menschen, die die Verfilmung des Romans »Harry Potter und der Stein der Weisen« gesehen haben, denn dort wurden die Szenen gefilmt, die die Ankunft Harrys im Bahnhof Hogsmeade auf dem Weg in das Internat Hogwarts zeigen. Der Bahnhof hat auch in anderen Verfilmungen schon Karriere gemacht, wie z.B. in »Der Doktor und das liebe Vieh« um den Tierarzt James Herriot oder in Verfilmungen von Agatha Christie’s »Poirot« und Arthur Conan Doyle’s »Sherlock Holmes«. In Großbritannien ist Goathland auch berühmt als fiktiver Ort Aidensfield, in dem die mit 372 Folgen und bei Millionen von Zuschauern sehr beliebte Serie »Heartbeat« um die Erlebnisse einer ländlichen Polizeistation in den 1960er Jahren spielt.

Dort erlebten wir eine beeindruckende Präsentation von Greifvögeln und mehrerer Eulen-Arten. Im Tea-Shop mussten wir feststellen, dass die Versorgung mit einer Tasse Gemüse-Suppe deutlich länger dauerte als der genüssliche Verzehr eines Yorkshire Cream Tea.

Von dort ging es über die kleine Marktstadt Helmsley nach Rivaulx Abbey, der ersten großen Zisterzienser-Abtei in England und auch eine der größten. Sie wurde 1538 von Heinrich VIII. aufgelöst und verfiel. Dennoch bleibt ein großartiger Eindruck von der Klosteranlage in einem bewaldeten Tal des Flusses Rye in der Nähe von Helmsley, mit den Ruinen der Abteikirche, die an der Vierung und am Chorende noch in der ursprünglichen Höhe stehen und dem fast 40m langen und 15m hohen Refektorium.

6. Juli

Der Tag war der Stadt York gewidmet. Nach Überquerung der Brücke über den Fluss Ouse und einem Blick in die Museum Gardens liefen wir die alte Stadtmauer entlang und hörten etwas zur Geschichte der nordenglischen Stadt, die in der Geschichte Englands viel auszuhalten hatte. Schotten, Angelsachsen, Normannen, Wikinger – alle wollten sich der Stadt sicher sein. Viele schöne Ausblicke auf die Stadt und das Münster waren zu erleben, ebenso wie Blicke auf die Gärten der Häuser, die entlang der Stadtmauer liegen, darunter auch der Garten der Dekanin des Münsters. Am Stadttor Monkbar wird die Mauer durch einen niedrigen Treppenabgang verlassen. Für Menschen mit Behinderungen wurden die Stadtmauern und –tore im Mittelalter noch nicht gebaut.

Durch mittelalterliche Straßen mit Häusern, die zum Teil so geneigt sind, dass sich die gegenüberliegenden Giebel zu berühren scheinen, führt der Weg zum York Minster. Bewegungsmöglichkeiten in der Kirche sind anfangs etwas eingeschränkt, weil in der Kirche gerade geheiratet wird. Dann aber lauschten wir staunend den Zahlen über die hochgotische Kathedrale. Eine Fensterwand ist so groß wie die Länge eines Tennisfeldes. Das Netzrippengewölbe des Vierungsturmes beeindruckt jeden, der den Kopf in den Nacken legt. Überraschend eine Erinnerungstafel an Frauen, die in den Weltkriegen im freiwilligen Einsatz getötet wurden. Und im achteckigen Kapitelhaus luden die 44 Sitze zum Sitzen ein, während Meesh, unsere örtliche Reiseleiterin seit dem Vortag, weitere Erklärungen gab.

Den Nachmittag in York konnte jeder verbringen, wie es ihm oder ihr in den Sinn kam, und alle waren pünktlich wieder am Bus, selbst wenn Uhren schon mal die Batterie-Power ausging.

7. Juli

Am Morgen besuchten wir Castle Howard, das erste Gebäude im Stil des Barock, das in England entstanden ist, gebaut von John Vanbrugh mit Unterstützung von Nicholas Hawskmoor, einem Mitarbeiter des Schöpfers der Londoner St. Paul’s Cathedral, Christopher Wren. Weite Rasenflächen führen von den Eingangsgebäuden auf das Schloss zu, am rechten Rand begrenzt von einem ummauerten Rosengarten. Vor dem Besuch des Schlosses war noch Zeit, um sich in der gestalteten Parkanlage den Tempel der Winde anzusehen, von dem es schöne Ausblicke auf die umgebende Hügellandschaft gab. Der Tempel gehört zu dem, was man in England einen »Folly« nennt, eine Torheit. Gebäude die mit einem (kaum) vorhandenen Verwendungszweck in die Parklandschaft gestellt wurden, um eine schöne Aussicht zu kreieren. Im Sockel des »Temple of the Four Winds« gibt es wenigstens eine Küche, in der die Mahlzeiten zubereitet wurden, die die Familie im Sommer dort genießen wollte.

Auch die Innenausstattung des Schlosses ist atemberaubend, was schon beim Aufstieg in die von einer riesigen Kuppel gekrönten Eingangshalle deutlich wird. In den Wohnräumen, Bankettsälen, Schlafzimmern, sowie der hauseigenen Kapelle mit Fenstern aus der Werkstatt von William Morris ließ sich nachempfinden, wie die wohlhabende Familie Howard dort seit Anfang des 18. Jahrhundert lebt und auch heute noch einen Flügel des Schlosses bewohnt. In besonderer Erinnerung ist eine Tulpenvase aus Delft geblieben, einem hohen Konstrukt aus vielen kleinen Vasen, jeweils für eine einzelne Tulpe, geschaffen in der Zeit, in der der der Besitz einer Tulpe ein Zeichen für immensen Reichtum war.

Viele kennen Howard Castle als Film-set für zwei Verfilmungen des Romans »Wiedersehen mit Brideshead« von Evelyn Waugh, dem in einigen Räumen Rechnung getragen wurde.

Der Nachmittag war dem Kurort Harrogate gewidmet, im 19. Und im frühen 20. Jahrhundert unter englischen Elitekreisen und beim ausländischen Adel ein sehr beliebter Erholungsort. Viele im georgianischen Stil erbaute Häuser und die Trinkhalle und das Badehaus sind sehenswert. Einige Teilnehmerinnen kannten Harrogate noch als den Ort, an dem 1982 der Eurovision Song Contest stattfand, wo Nicole mit ihrem Lied „Ein bisschen Frieden“ den ersten Platz belegte. Nach einem Stadtrundgang konnten Tea-Rooms (z.B. Betty’s Tea-Room, deren Begründer sein erstes Lokal in Harrogate eröffnet hatte) oder Pubs besucht werden. Oder auch in den vielen kleinen Geschäften und Antiquitätenläden nach Herzenslust stöbern.

8. Juli

Auf dem Weg zum Flughafen Manchester, um den Rückflug anzutreten war noch ausreichend Zeit, den Garten der »Royal Horticultural Society „Harlow Carr“« zu besuchen. Die RHS ist ein Verein zur Förderung der Gartenkultur und unterhält in Harlow Carr den einzigen von insgesamt vier Mustergärten im Norden Englands. Die Freude an herrlichen Rosen, gestalteter Parklandschaft, Gemüsegärten, in denen gerade Artischocken reiften, an Rabatten mit blauen Echinops (Kugeldisteln) und purpurnen Salvien, sowie an einem Bachlauf, der sich aus einem kleinen See speist, konnte auch durch einsetzenden Nieselregen nicht getrübt werden.

In einem gemütlichen Pub in der gemütlichen, kleinen Stadt Hebden Bridge gab es noch Gelegenheit zum Lunch, bevor Meesh mit uns die Fahrt zum Manchester Airport antrat.

Dicht gefüllte 10 Tage lagen hinter uns und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meinten, dass die eine oder andere Gegend einen weiteren, intensiveren Besuch wert wäre.